Horizontales Bandgießen von Stahl_

Stahl hat als ebenso traditioneller wie innovativer Werkstoff sehr viel Potenzial. So können mit neuen Spezialstählen zum Beispiel besonders spritsparende Autos gebaut werden. Doch wie lassen sich solche neuen Stähle herstellen und dies zusätzlich nachhaltig und effizienter als mit den herkömmlichen Verfahren?

Dipl.-Ing. Ulrich Grethe, Dipl.-Kfm. Burkhard Dahmen und Prof. Dr. Karl-Heinz Spitzer fanden dafür eine Lösung. Sie sind verantwortlich für die Entwicklung eines neuen Stahl-Gießverfahrens, das weit weniger Energie und Rohstoffe als bisher benötigt. Gleichzeitig lässt sich die innovative Methode recht kostengünstig realisieren – und bietet vor allem die Chance, das nutzbare Spektrum der Eigenschaften von Stahl deutlich zu erweitern. Ulrich Grethe ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Salzgitter Flachstahl GmbH, Burkhard Dahmen ist Vorstandsvorsitzender der SMS Siemag AG, Karl-Heinz Spitzer ist Lehrstuhlinhaber für Metallurgische Prozesstechnik am Institut für Metallurgie der Technischen Universität Clausthal.

Stahl ist sowohl traditionell als auch hoch modern und aufgrund seiner hervorragenden und vielfältigen Eigenschaften in vielen Industriebranchen sehr gefragt. Prominentestes Beispiel ist der Automobilbau. Um Herausforderungen wie einer weiteren Senkung des Kraftstoffverbrauchs von Fahrzeugen zu begegnen, setzt man dort unter anderem auf neuartige Sonderstähle wie HSD-Stahl: Er enthält besonders viel Mangan, was ihn zugleich hochgradig verformbar und äußerst fest macht. Er ermöglicht es, selbst sicherheitskritische Bauteile wie Sitze, Türaufprallträger und Stoßfänger deutlich leichter zu machen. Allerdings: Mit der herkömmlichen Gießtechnik, dem so genannten Stranggießen lassen sich solche Stähle nicht produzieren.

Doch mit dem neuartigen Verfahren haben die Nominierten gemeinsam eine Herstellungsmethode entwickelt, die auch innovative Spezialstähle in industrieller Menge hervorbringen kann. Beim horizontalen Bandgießen, der Belt Casting Technology (BCT), wird der Stahl nicht wie bislang üblich in bis zu 30 Zentimeter dicken Blöcken, den Brammen, gegossen, die danach unter hohem Zeit- und Energieaufwand in die benötigte Form weiterverarbeitet werden müssen. Stattdessen liefert das Verfahren 1 bis 2 Zentimeter dünn gegossene Bänder, die sich bereits der für viele Anwendungen benötigten Materialdicke annähern. Dazu wird der Stahl auf ein mitlaufendes, wiederverwendbares Förderband gegossen, das durch Wasser von unten gekühlt wird.

Das neue Verfahren bietet etliche Vorteile: So minimiert das horizontale Gießen auf das mitlaufende Band Spannungen im erstarrenden heißen und ggf. rissempfindlichen Stahl. Da die dünnen Bänder relativ schnell abkühlen, besitzt der Stahl zudem im Allgemeinen bessere Materialeigenschaften. Dies erst macht die großtechnische Herstellung vieler neuer Stahlwerkstoffe mit außergewöhnlichen Eigenschaften wie den HSD-Stählen möglich. Das Verfahren benötigt auch erheblich weniger Energie als die konventionelle Stranggießroute. Dadurch sinken auch die Emissionen an klimaschädlichem Kohlendioxid. Beim Gießen und Warmwalzen lassen sich über 60% Energie einsparen. Zugleich sind für den Aufbau einer BCT-Anlage nur etwa ein Drittel so hohe Investitionen erforderlich.

Um die Leistungsfähigkeit des horizontalen Bandgießens in der Stahlindustrie zu demonstrieren, hat die SMS Siemag AG für die Salzgitter Flachstahl GmbH in Peine bei Hannover eine erste Pilotanlage im industriellen Maßstab errichtet. Die Anlage, deren Bau das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit finanziell gefördert hat, ging im Dezember 2012 in Betrieb und kann rund 40.000 Tonnen Stahl pro Jahr produzieren. Inzwischen hat sie die Stabilität und Zuverlässigkeit des Bandgießverfahrens in mehreren Dutzend Gießversuchen eindrucksvoll bestätigt.

Die Pilotanlage gibt den beiden Unternehmen die Gelegenheit, die neuartige und bisher weltweit konkurrenzlose Technik im laufenden Produktionsbetrieb weiter zu qualifizieren und zu vermarkten. Das Interesse daran ist groß. In Deutschland dürfte das innovative und nachhaltige Verfahren zur Sicherung oder Schaffung zahlreicher zukunftsfähiger Arbeitsplätze in der Stahlindustrie und in stahlintensiven Branchen wie Metallverarbeitung, Fahrzeug- oder Maschinenbau beitragen.

Das Vorschlagsrecht zum Deutschen Zukunftspreis obliegt den führenden deutschen Einrichtungen aus Wissenschaft und Wirtschaft sowie Stiftungen.
Dipl.-Ing. Ulrich Grethe (Sprecher)
Dipl.-Kfm. Burkhard Dahmen*
Prof. Dr.-Ing. Karl-Heinz Spitzer**

Salzgitter Flachstahl GmbH, Salzgitterwww.salzgitter-flachstahl.de
*SMS Siemag AG, Hilchenbach und Düsseldorf
**Institut für Metallurgie, Technische Universität Clausthal
http://www.deutscher-zukunftspreis.de

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