copyright Anita Wüunschmann
Unter dem Titel „Das Museum des 20. Jahrhunderts und seine städtebauliche Einbindung“ wurde im Sommer 2015 ein Ideenwettbewerb ausgelobt an dem sich 460 Teams aus dem In- und Ausland beteiligten. Eine große Resonanz auf dem Weg zum geplanten 200 Millionen Euro teuren Berliner Museumsneubau für die Kunst des 20. Jahrhunderts, der 2022 eröffnet werden soll. Mitte Februar präsentierten Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, zehn ausgewählte Entwürfe aus dem internationalen Ideenwettbewerb zur Gestaltung des Areals am Berliner Kulturforum. Die Siegerentwürfe wurden von einer Jury unter Vorsitz des Architekturprofessors Arno Lederer ausgewählt. Alle 460 Entwürfe sind zwischen 26. Februar und 13. März im Kulturforum zu sehen.
Frankreich baut große Museumsdependancen für die zeitgenössische Kunst zur Aufwertung strukturschwacher Reginen in die Provinz. In Oslo ist ein Erweiterungsbau für das Nationalmuseum in Arbeit und Zaha Hadids Maxxi-Museum für die Kunst des 21. Jahrhunderts wurde auf einem Kasernengelände in Rom errichtet. Museumsbau ist eine wichtige internationale architektonische Disziplin, ebenso wie Universitätsbau, die Errichtung neuer Bibliotheken und Konzertsäle. Die Kultur gilt als wichtiger Standortfaktor im Prozess der Transformationen zu Wissens- und Dienstleistungsgesellschaften.
Ein Museumsneubau im „Scharounschen Tal“ in Bezug zu den architektonischen Preziosen von Mies van der Rohe und Scharoun bzw. zu dem Kleinod von Friedrich August Stüler, das gilt als eine architektonische Herausforderung, die schon im Vorfeld für Debatten sorgte.
Geträumt und geschimpft wurde schon viel, wenn es um die Entwicklung des Kulturforums ging. Jetzt soll zügig gebaut werden. Das Areal wird mit dem zukünftigen Gebäude bereichert oder verärgert. Einer der spannendsten Ideenwettbewerbe verlangte den Poststempel des 15. Dezember für die Einreichung von Entwürfen für den Museumsbau, der so dringend erwünscht ist. Zugleich aber wird das künftige Museum der Moderne das städtebauliche Konzept, das seit den 60igern auf Hans Scharouns offene Stadtlandschaft zurückgeht, auch verändern. Es mangelt daher nicht an Ängsten und Widersprüchen. Viele denken wie der Architekt und stellvertretende Direktor für Baukunst in der Akademie der Künste, Wilfried Wang: „Es wäre besser gewesen, einen städtebaulichen Wettbewerb vorzuschalten. Es hätte eine Option geben müssen, das Raumprogramm aufzuteilen. Wenn sich mit dem Wettbewerb hinterher herausstellt, dass das Gebäude zu hoch oder zu groß ist, steht man vor vollendeten Tatsachen.“ Nicht nur die Berliner, die ganze Kunstwelt, wird gucken, ob das hier gelingt. Dementsprechend hoch ist der Druck. 200 Millionen Euro sind eine Summe, wie Wilfried Wang sagt, mit der immerhin ein großes Gebäude gebaut werden kann.“
Trotzdem bereitet es Unbehagen, sich auf ein Einzelgebäude zu fixieren, selbst wenn eine landschaftsgestalterische Einbindung mit gefordert ist, sagt auch Jan Kleihues “Ich denke“, so der prominente Architekt, „dass die Autoren, die am Wettbewerb teilnehmen, städtebaulich reagieren müssen. Es geht nicht, nur einen Solitär dort hinzusetzten.“
Scheinbar besteht eine Pattsituation. Der Bund hat das Geld freigegeben. Es soll schnell losgehen. Die Mäzene, Heiner und Ulla Pietzsch, Erich Marx und Egidio Marzona, wünschen sich mit wachsender Ungeduld, dass die Neue Nationalgalerie sich als der Berliner Ort für die Kunst des zwanzigsten Jahrhunderts mit ihren Beständen und Schenkungen angemessen öffentlich präsentieren kann. Es ist ja auch ein lang gehegter Traum der Stiftungs- und Museumsdirektoren, endlich die Werke aus dem Depot der Neuen National-galerie ins Licht zu holen. Einerseits. Andererseits ist das Gelände hier eine der wichtigsten und teuersten Innenstadtlagen. Eine bauprogrammatische Bruchlinie. Ein großzügig gedachter Raum, der einigen so charmant erscheint wie ein verlassenes Freibad. Kaum einer sagt etwa: „Ich liebe die Piazzetta, weil ich hier gemeinsam mit Skaterkids wie auf einer Düne sitze und das Meer rauschen höre und um mich herum die hohe Kunst versammelt ist.“ Nein, dann heißt es eher: „Trostlos wie ein Gletscher, auf dem Granitblocken herumstehen“. Immerhin die Reflexionen im Mies-Tempel, der wie an einem anderen Ufer angespült, quasi auf einer Klippe, erhöht dasteht, die lieben die Berliner und die faszinieren das weitgereiste Publikum, wenn es die Fotoapparate zückt. Als Architekt fühlt man wahrscheinlich Erfurcht. Ist das hier eine Respektfalle? Wilfried Wang findet das „noch milde ausgedrückt“. Er sagt: „Viele Leute kriegen Angst, wenn sie vor den weltberühmten Gebäuden von Mies und Scharouns stehen. Da herrscht bei vielen das schiere Entsetzen.“
Bislang hatte es etliche Jahre an Mut gefehlt, hier loszulegen oder an finanziellen Mitteln, die man nicht oder nur halbherzig gewährte. So etwa für die von Valentien+Valentien erdachten Außenanlagen (Landschafts-planerischer Wettbewerb, 1. Preis, 1998 im Zusammenhang mit der Eröffnung der Gemäldegalerie von Hilmar&Sattler),bei denen aus Kostengründen deutlich mehr als nur die Kiefern wegfielen. Dafür wurde wenig später, 2004, resümiert, dass „die Vernachlässigung der Außenbereiche auch der Architektur schaden“. Parallel machte sich zunehmend ein Horror vacui breit. Im Rückblick ist das Kulturforum ein Wetzstein für architektonische Diskurse, die scharf geführt wurden. Etwa um Hans Holleins Kolonnaden-Masterplan von 1983, bei dem die Staatsbibliothek unberücksichtigt blieb. Dann um den Vorstoß des früheren Bausenators Hans Stimmann, der auch hier für eine kritische Rekonstruktion plädierte und 2002 mit einer Blockrandbebauung an das frühere Tiergarten-Wohnquartier erinnern wollte. Daraus erwuchs ein breites senatsgesteuertes Diskussionsforum von Juni 2004 bis März 2005, an dem auch die Öffentlichkeit beteiligt war. 2013 lieferte der Münchner Stephan Braunfels einen Entwurf und skizziert Außen- und Innenräume im Zueinander samt Kreisel und Bibliotheksplatz. Obwohl man quasi in jedem Jahrzehnt neue und prominente Vorschläge verbuchen konnte, scheint es, als hätte man gerade jetzt, da der Bund das Geld bereitstellt und alle Grundstücksfragen verhandelt sind, nicht genug Zeit gehabt, sich über den Ort als Ganzes angemessene Gedanken zu machen. Zuletzt, quasi 5 nach 12, zückte Volkwin Marg, seinen Masterplan, mit dem er die Potsdamer Straße in einen Tunnel zu verlegen gedachte und entfachte vor allem ob seines Alleingangs Debatten um Berufsethik und Verfahrenskultur.
Skepsis dominiert das Geschehen bis zum letzten Augenblick. „Für ein gültiges Konzept muss die Frage geklärt werden, wie die vorhandenen Bauten in ihrem Zueinander bewertet werden: als Ensemble, als eine zufällige heterogene Ansammlung“, sagt Jan Kleihues knapp drei Wochen vor Abgabetermin immerhin vertraut mit den Risiken des innerstädtischen Museumsbaus, spätestens seit sein Büro Kleihues + Kleihues den Wettbewerb für das Nationalmuseum in Oslo gewonnen hatte. Der Ansatz „Beruhigung statt ein weiteres Feuerwerk zu entzünden“ überzeugte die Norweger und wäre womöglich auch in Berlin ein Plus. Andere wie das Büro Augustin & Frank nehmen gar nicht erst am Wettbewerb teil: “Wir sind ganz und gar nicht einverstanden mit dem Ort und sehen keine Chance für eine überzeugende Lösung.“ „Die Klötzchen- und Würfellandschaft“ würde, so meinen sie, nur etwas zusammengerückt werden. „Da bleiben dann lauter Resträume.“
Vor wenigen Tagen wurde der Schleier gelüftet.
Die gezeigten Riegel und nebeneinander gestellten Schauhallen oder hochgestellten Kisten geben eine Ahnung von der Problematik. Im Modell Nr. 1144 – aus Anonymitätsgründen für den weiteren Wettbewerbsverlauf gibt es nur Codes – wird mit einer flachen L-Konstruktion offenbar eine Beruhigung angestrebt, indem Scharouns Philharmonie als Solitär einfach abgespalten wird. Das Modell Nr. 1281 offeriert ein sympathisches Pavillonensemble mit Dachbegrünung und Hofgärten als eine offene Kubenlandschaft, die sich wiederum mit Kleinteiligkeit dem Druck der historischen Größen zu entziehen sucht. Wogegen Nr. 1031 den Raumbedarf auf drei mächtige Klötze aufteilt, als gelte es massenmäßig ein Stück Potsdamer Platz hinüberzuholen. Auch wenn Berlins Senatsbaudirektorin Regula Lüscher betont, dass die Modelle eine „Feinheit“ zeigen, gibt es bislang keine mutige Typologie und kaum einen überirdischen Raumbezug, etwa zur Neuen Nationalgalerie oder zur Piazzetta. Offensichtlich wurde zunächst die Fläche an sich untersucht. Ein Herantasten als Vorleistung für den im Sommer startenden Realisierungswettbewerb. Inzwischen kann auch die Öffentlichkeit gucken gehen aber die Jury, dabei etwa der Basler Roger Diener und die Berliner Landschaftsarchitektin Undine Giseke, haben schon die ersten zehn ausgewählt, die zum Realisierungswettbewerb geladen sind.




