Pünktlich zum Ferienbeginn wird die Humboldt-Box auf dem Schlossplatz dem Publikum übergeben.
Die Humboldt-Box steht in der jungen Tradition baustellenbegleitender, temporärer Architektur wie es mit großem Erfolg die rote Infobox für die Bauphase des Potsdame Platzes war. Bereits in den letzten Wochen gab es eine erhitzte Debatte um das von der Firma Megaposter GmbH aus Neuss komplett privat finanzierte polygonale Ufo und allerhand Schmäh wie « Kotzbrocken » und « Mülltonne ». Geht es dabei um die für Berlins Mitte singuläre Architektur oder um die Funktion der gut zwanzig Meter hohen Guck-Insel als Werbeplattform für den Schloss-Bau?
Bezogen auf die Architektur muss man sagen, es wird höchste Zeit, die Sehgewohnheiten der Berliner mal etwas zu strapazieren. Architektonische Aufbruchstimmung, von wenigen international ausstrahlenden Bauwerken der Spreemetropole abgesehen, findet ja kaum sichtbar in der Bundeshauptstadt statt. Da provoziert das skulptural wirkende Gebäude, das von den Architekten KSV Krüger, Schuberth, Vandreike entworfen wurde, den Gedanken, dass die Bebauung der historischen Mitte Berlins ganz gut eine zeitgemäßere Architektur als es der von Frank Stella so klassizistisch vorgetragene Wettbewerbsentwurf für das Schloss/Humboldt – Forum samt nachträglich zu errichtender barocker Fassade darstellt.
Die Humboldt-Box, zugegebenermaßen nicht so transparent und elegant wie gehofft, umfasst sechs Ebenen multifunktionaler Räume. Die objekthafte Wirkung des Stahl-Betons-Baus mit dem Wechselspiel von markanten, asymetrischen Fensterausschnitten und großen Panoramafronten entsteht durch die sich aus Trapezformen fügende und nach außen hin durch Metallverkleidungen betonte Stahlkonstruktion, deren Zwischenräume mit Textilmaterial bespannt sind. Durch eine Beleuchtungsinstallation zwischen der offenporigen Betonwand des Baukörpers und der Textilfassade kann letztere ihre Farbwirkung verändern. Die Box könnte das Bewusstsein dafür schärfen, dass Berlins Mitte Modernität und Originalität ebenso wie eine demokratische Offenheit samt großzügigen Freiflächen vertragen und gebrauchen könnte.
Die Humboldt – Box, steht, so sagt es Wilhelm von Boddien als Dialogangebot. Ja, wofür? Für die Befürwortung des Schlosses, das der unermütliche und umstrittene Streiter für die historische Rekonstruktion, einmal mehr visualisiert und dabei aber nicht versäumt, auf den modernen Inhalt als « künftiges Zentrum der Weltkulturen » zu verweisen.
Von oben kann man gut herunterschauen. Der Besucher wird einen vortrefflichen 360 -Grad- Blick auf die Stadt haben, auf die Linden, er wird das Brandenburger Tor sehen, dann den Dom, die einladende Großzügigkeit des alten Museums usw.
Weiterhin sind auf 3000 Quadratmetern diverse Funktionen integriert. Es beginnt mit der Agora und dem unvermeidlichen Museumsshop, samt allen Materials zur Bewerbung des Schlosses inclusive einer Spendenbox, weil ja trotz der Hochstimmung Wilhelm von Boddiens noch eine gigantische Summe etwa für die Rekonstruktion der Fassade fehlt.
Den künftigen Nutzern des Humboldt-Forums (Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Humboldt Universität zu Berlin, Zentrale Landesbibliothek) sind für Wechselausstellungen die zweite und dritte Etage mit großzügig offenen Räumen für den Blick auf die Weltkultur samt kolonialer Vorgeschichte vorbehalten. Die Bibliothek wartet mit Multimedia Labs und Leseecken auf. Das im Innern weniger eine signifikante architektonische Sprache gesucht, sondern ein Stilmix von Etage zu Etage zusammengebraut(Ganz im Gegensatz zur damaligen Roten Box).Wie eine neureiche Dame, die sich den falschen Hut aufstülpt, zeigt sich das Restaurant « Humboldt – Terrassen » in barocker Inszenierung. Die « Sky – Lounge » ist ideal für Konferenzen mit Ausblick und avanciert schon jetzt zur neuen Party Location.
Anita Wünschmann
Die Humboldt Box; einige technische Informationen
– Verkleidung aus 4mm starke Alucobond-Fassadenplatten, sunrise silber metallic 600
– Ausführung von umlaufenden u. immer wieder aufeinandertreffenden 10mm Fugen,
– überwiegend konische geschnittene Fassadenplatten
– In Sichtbereichen konisch gekantete Eck-Ausbildungen als Übergänge von Seitenflächen zur Untersicht bzw. von Flächenübergängen (Grate), somit keine Eckstöße sondern Kantungen
– thermisch getrennt u. sichtbar auf Stahl-Unterkonstruktion befestigt: geschraubt / genietet
– Die Flächen im EG, Unterdecke, Treppenauge und Terrassen sind auf einer Alu-Unterkonstruktion befestigt, die wiederum auf Leichtbauwände oder Betonflächen befestigt ist.
– Die Abhängung der Unterdecke wurde aus verschieden gekanteten Alu-Profilen (L, T, Flach), mit einer Abhangtiefe von bis zu 1100mm realisiert, die durch zus. Queraussteifungen stabilisiert wurde.
– 70 verschiedene Einzelflächen (in der Planung farbig markiert), die jeweils durch Kehle oder Grat aneinander stoßen. Die Plattenfugen verlaufen größtenteils über die Einzelflächen hinweg auch mit mehreren Richtungswechseln
– ca. 1300 Stück verschiedene Plattenpositionen auf CNC Schneidtisch gefertigt
– Größe der Einzelplatten BxH von 510 x 220mm bis 4300 x 1600mm
– ca. 1800m² verkleidete Alucobond-Fläche
– Baukörper ist ca. B x H = 20m x 30m und hat 6 Geschosse




